...aus der Geschichte (Bezirk) zurück

Ein Jahrtausend Bergedorf...

ein Jahrtausend - das sagt sich so leicht daher. Wie es aber wirklich um das Jahr 1000 im heutigen Bergedorf aussah, können wir nur vermuten. Immerhin soll es bereits Anfang des  9. Jahrhundert am Bergedorfer Geesthang eine Dorfgemeinschaft gegeben haben Ausgrabungsfunde am heutigen Schloss weisen zudem für die Zeit um 800 auf eine altsächsische Fluchtburg mit Wall und Graben hin.
Die urkundlich belegte Geschichte Bergedorfs reicht dagegen nur bis in das Jahr 1162 zurück. Zu dieser Zeit war das damalige "Bergerdorp" bereits ein bedeutender Ort mit eigener Kirche, der zum Lauenburgischen gehörte. Doch nicht mehr lange: 1202 besetzten die Dänen nicht nur das nahe Hamburg, sondern auch "Bergerdorp". Der vom Dänenkönig Waldemar ernannte Statthalter, die thüringische Graf Albrecht von Orlamünde (ein Neffe Waldemars), drückte dem Ort gleich mehrfach seinen Stempel auf: Zum einen ließ er 1208 den Mühlendamm (die heutige Alte Holstenstraße) aufschütten, um die Bille zu stauen, zum anderen errichtete er im neu entstandenen Billebecken eineWasserburg, die als historisch gesicherter Vorläufer des heutigen Schlosses gilt.
Das dänische Gastspiel endete 1227 nach der vernichtenden Niederlage bei Bornhöved (östlich von Neumünster). Wieder waren es die Herzöge von Lauenburg, die in Bergedorf und in die Wasserburg einzogen und dem Ort 1275 sogar das Stadtrecht verliehen. Dabei bleib es fast zwei Jahrhunderte, bis 1420 Hamburg in die Bergedorfer Geschichte eingriff - und zwar auf durchaus blutige Weise. Die verbündeten Hansestädte Hamburg und Lübeck, die um die Sicherheit ihrer Handelsstraßen bangten, sahen in dem Lauenburger Herzog Erich V. einen Dulder und Förderer des Raubritterunwesen.
Um diesem Spuk ein Ende zu machen, griffen die hanseatischen Heere am 10. Juli 1420 zu den Waffen, überrannten das schutzlose Bergedorf und belagerten volle fünf Tage die Burg, in der sich der ungeliebte Herzog verschanzt hatte. Ein zeitgenössischer Chronist schrieb über das Ende der Belagerung: Am fünften Tage brachten die Belagerer des Morgens viel Stroh, Reisig, Pech und Teer vor und an das Pfahlwerk um das Schloss, streuten Büchsenpulver unter das Gehäuf der Tonnen und steckten es in Brand. Davon erhob sich ein solch mächtig Feuer und hitziger Rauchdampf, dass des Herzogs Kriegsvolk aus dem Bollwerk auf das Schloss entwich. Da liefen die Städter das Bollwerk in Scharen an, gewannen es und setzten denen im Schloss so ernsthaft zu, dass sich des Herzogs Volk auf Gnad und Ungnad ergab und abzog. Der Frieden zu Perleberg sprach den Siegern nicht nur Bergedorf, sondern auch die späteren Vierlande, die Riepenburg beim Zollenspieker, die Feste Kuddewörde und Geesthacht zu.
Diese Neuerwerbungen verwalteten die Hansenstädte von 1420 an "beiderstädtisch", d. h, jede Stadt stellte abwechselnd einen Amtmann, der seinen Sitz im Bergedorfer Schloss hatte. Erstaunlicherweise funktionierte dieses ungewöhnliche Modell fast 450 Jahre. Seinen philatelistischen Niederschlag fand es zwischen 1861 und 1867, als Bergedorf sogar eigene Briefmarken herausgab.
Erst 1867, als die Bergedorfer längst enge Bindungen zu Hamburg geknüpft hatten, trat Lübeck seinen Anteil für 200.000 Taler an Hamburg ab. Diese gewachsenen engen Bindungen dokumentierten sich vor allem in der 1842 eröffneten Eisenbahnverbindung zwischen Hamburg und Bergedorf, der dritten Bahnlinie in Deutschland überhaupt. Industriebetriebe siedelten sich an und zogen Arbeiter nach, so dass sich Bergedorfs Einwohnerzahl zwischen 1850 und 1885 auf über 5.000 verdoppelte. Parallel dazu entwickelte sich die Stadt aber auch zu einem beliebten Erholungsort. Dieser dynamische Prozess setzte sich in den folgenden Jahrzehnten ungebrochen fort - unterstützt von großzügigen Infrastrukturmaßnahmen - und schließlich 1937 durch die Eingemeindung des Nachbarortes Lohbrügge in das hamburgische Gebiet.
Lohbrügge entstand aus den Ortschaften Sande, Lohbrügge, Ladenbek und Boberg. Die älteste Urkunde datiert vom 1.11.1257. In ihr tauchen die Namen Lohbrügge, Hope und Boberg auf. Hope ist wohl durch Sandverwehungen unter- gegangen. Der Name Höperfeld erinnert an das einstige Dorf. 1895 umfaßt die Gemeinde Sande auch Lohbrügge und Ladenbek. 1929 wurde Boberg und Sande unter dem gemeinsamen Namen Lohbrügge zusammengefaßt. Das Groß-Hamburg-Gesetz von 1937/38 vereinigte das preußische Lohbrügge mit Bergedorf.

...und der Vier- und Marschlande

Die Kirchspiele Neuengamme, Kirchwerder, Altengamme und Curslack werden seit 1556 die "Vierlande" genannt. Die Kirchspiele, Landschaften und Ortschaften Moorfleet, Billwerder, Spadenland und Tatenberg, Allermöhe, Reitbrook und Ochsenwerder bezeichnen die Marschlande. Die beiderstädtische Verwaltung ging -wie beim "Städtchen Bergedorf"- in die hamburgischen gemeindlichen Ordnungen über. Heute bilden die Vier- und Marschlande das Ortsamtsgebiet im Bezirk Bergedorf mit dem Ortsamt in Allermöhe.

So seltsam es auch klingen mag, die Hafen-, Handels- und Industriemetropole Hamburg ist - salopp gesagt - ein landwirtschaftliches Überschussgebiet. Mit den 13.163 ha großen Vier- und Marschlanden zwischen Bille und Elbe, Moorfleet und Altengamme verfügt der Stadtstaat über ein Blumenparadies und eine Gemüsekammer, die weit mehr produzieren, als die Hamburger selbst verwerten können.
Die Besiedelung dieses fruchtbaren Schwemmlandes im eiszeitlichen Urstromtal der Elbe begann im 12. Jahrhundert. Sie begann vom Geestrand (Bergedorf) über Dove- und Gose-Elbe- zwei die Marsch querende, seichte Wasserarme - bis an das Elbufer. Schritt für Schritt tasteten sich die Menschen in ein unwegsames und unwirkliches Gelände hinein, das regelmäßig von verherrenden Überschwemmungen heimgesucht wurde. Urbarmachung und Eindeichung gingen daher Hand in Hand.
Schon Ende des 14. Jahrhunderts erwarb Hamburg erste Gebiete in den stadtnahen Marschlanden: Die Kirchspiele Moorfleet und Allermöhe sowie Ochsenwerder mit Spadenland und Tatenberg. Und bereits eine Generation später (1420) erstreckte sich der Hamburger Einfluss auf den gesamten Raum zwischen Elbe und Bille, nachdem der Lauenburger Herzog aus Bergedorf vertrieben worden war (siehe auch der Beitrag "Ein Jahrtausend Bergedorf"). Freilich mussten sich die Elbstädter auch hier die Macht mit den verbündeten Lübeckern teilen, denn die Kirchspiele Neuengamme, Kirchwerder, Altengamme und Curslack unterstanden ebenfalls der "beiderstädtischen" Verwaltung. Der Name "Vierlande" war damals noch unbekannt. Er setzte sich erst Mitte des 16. Jahrhunderts für das Gebiet der genannten vier Kirchspiele durch.
Zu dieser Zeit war die Erschließung und Besiedelung des fruchtbaren Marschenbodens bereits weit fortge- schritten. Überall entstanden die typischen Vierländer Hufnerhäuser mit ihren hölzernen Kornspeichern, immer häufiger ragten die Entwässerungswindmühlen aus dem flachen Land heraus. Getreidefelder veränderten das Bild der einst homogenen Weidelandschaft. Doch der Kampf gegen die Naturgewalten war noch lange nicht gewonnen. Und dort, wo es Fortschritte gab, sorgte das bisweilen für Streit mit den Nachbarn.
So bangten die Lüneburger südlich der Elbe um ihre Deiche, als die Hamburger sich Anfang des 17. Jahrhunderts anschickten, Dove- und Gose-Elbe abzudämmen und einen Deich unmittelbar am Strom zu bauen. Diese Maßnahmen sollten dazu beitragen, der Norderelbe, dem für Hamburg lebenswichtigen Schifffahrtsweg, mehr Wasser zuzuführen. Der Lüneburger Herzog nahm das zum Anlass, mit seinen Truppen zerstörend und plündernd in die Vierlande einzufallen, mußte sich jedoch nach einer vernichtenden Niederlage bei Zollenspieker resignierend zurückziehen.
Mit dem heute dominierenden Gartenbau begannen sich die Vierländer erst seit dem 18. Jahrhundert intensiver zu befassen. Bis zur Gegenwart stieg die Zahl der Betriebe, die den erwerbsmäßigen Anbau von Gartengewächsen betreiben, auf fast 2.5000, darunter 1.700 reine Gartenbaubetriebe. Insbesondere der Unterglasanbau erlebte einen kräftigen Aufschwung. Die einst etwas verträumt dahinlebende Bauernlandschaft ist inzwischen durch ein leistungsfähiges Straßennetz (seit 1981 durch die Marschenautobahn) und durch attraktive Erholungsgebiete (Badeseen, Wasserpark Dove-Elbe) erschlossen worden. Doch trotz dieser Tribute, die auch die Vier- und Marschlande der Zivilisation zollen mussten, blieb der reizvolle Charakter dieser eigenwilligen Landschaft in weiten Bereichen bis heute erhalten.

( PJ ) Text aus: L(i)ebenswertes Bergedorf...danke dem Bezirksamt Bergedorf - Stand 2002)
( PJ ) mit Textauszügen und Informationen u.a. aus Wikipedia)   >> nach    oben